Kästners Frauen - heute fand in der Benrather Stadtbibliothek in Düsseldorf eine Lesung mit musikalischer Begleitung statt, die sich mit der Darstellung von Frauen in Kästners Literatur beschäftigte. Die Theatergruppe Mimento unterlegte Auszüge aus Kästners Literatur durch Klaviermusik.

Foto: AKG
Erich Kästner lebte von 1899 bis 1974, wurde in Dresden geboren und verstarb in München. Kästners Bücher wurden im Nationalsozialismus verbrannt. Das Dresdner Kästnerhaus, das Erich-Kästner-Museum seiner Geburtstadt, schreibt, dass Kästner bei der öffentlichen Verbrennung seiner Werke am 10. Mai 1933 sogar persönlich anwesend war. Anschließend muss Kästner unter einem Pseudonym veröffentlichen. Es ist das gleiche Jahr, in dem Das fliegende Klassenzimmer erscheint (www.kaestnerhaus-literatur.de).
Mimento bezieht sich auch auf die Beziehung Kästners zu seiner Mutter. Ein Gedicht, welches mir persönlich gut gefällt ist Stiller Besuch aus Ein Mann gibt Auskunft von 1960:
Jüngst war seine Mutter zu Besuch.
Doch sie konnte nur zwei Tage bleiben.
Und sie müsse Ansichtskarten schreiben.
Und er las in einem dicken Buch.
Freilich war er nicht sehr aufmerksam.
Er betrachtete die Autobusse
und die goldnen Pavillons am Flusse
und den Dampfer, der vorüberschwamm.
Seine Mutter hielt den Kopf gesenkt.
Und sie schrieb gerade an den Vater:
"Heute abend gehen wir ins Theater
Erich kriegte zwei Billets geschenkt."
Und er tat, als ob er fleißig las.
Doch er sah die Nähe und die Ferne,
sah den Himmel und zehntausend Sterne
und die alte Frau, die drunter saß.
Einsam saß sie neben ihrem Sohn.
Leise lächelnd. Ohne es zu wissen.
Stadt und Sterne wirkten wie Kulissen.
Und der Wirtshausstuhl war wie ein Thron.
Ihn ergriff das Bild. Er blickte fort.
Wenn sie mir schreibt, mußte er noch denken,
wird sie ihren Kopf genau so senken.
Und dann las er. Und verstand kein Wort.
Seine Mutter saß am Tisch und schrieb.
Ernsthaft rückte sie an ihrer Brille,
und die Feder kratzte in der Stille.
Und er dachte: Gott, hab ich sie lieb!
siehe: www.lyrikline.org
Kästner schreibt von einem Besuch der Mutter und bringt Gefühle eines Alltagsmoments für Leser:innen greifbar zu Papier. Kästners Mutter Ida Kästner ist 1951 im Alter von 80 Jahren gestorben. Im Kinderbuch Als ich ein kleiner Junge war von 1957 schreibt Kästner zudem autobiografisch über seine Kindheit. Mimento berichtet, dass Erich Kästner in Ida Kästner nicht nur eine Mutter, sondern auch eine Reisebegleitung, Freundin und Beraterin sah, der er von seinen Begegnungen mit Frauen berichtete.
In der heutigen Lesung konnten die Zuhörer:innen die Perspektive Kästners auf das Weibliche durch die Inszenierung Mementos musikalisch in den Räumen der Orangerie erleben. -AKG